Die Grundlage der "Bibliotheca Electoralis" (= Kurfürstliche Bibliothek) legte um 1500 mit seiner Sammeltätigkeit der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, der zu den zentralen Herrscherpersönlichkeiten des spätmittelalterlichen Reiches zählte und von seiner Wittenberger Residenz aus enge Kontakte zu führenden Gelehrten in ganz Europa unterhielt. Mit der Aufsicht über seine in ihren Anfängen wohl vorrangig auf höfische Repräsentation ausgelegte Bibliothek beauftragte der Kurfürst 1512 seinen Rat und Hofhistoriografen Georg Spalatin (1484-1545), der als gelehrter Humanist selber zum Kreis der Wittenberger Reformatoren um Luther und Melanchthon gehörte. Spalatin gelang es, die Bibliothek zum zentralen Wissensspeicher der Wittenberger Reformatoren auszubauen. Auch unter den Nachfolgern Friedrichs des Weisen, den Kurfürsten Johann dem Beständigen (1468-1532) und Johann Friedrich dem Großmütigen (1503-1554), nahm Spalatin diese Aufgabe wahr.
In der "Bibliotheca Electoralis" spiegeln sich nicht nur die geistesgeschichtlichen Strömungen des Humanismus wider, sondern auch die vielschichtigen politischen Entwicklungen auf Reichs-, territorialer und dynastischer Ebene. So bedeutete die militärische Niederlage der im Schmalkaldischen Bund unter kursächsischer Führung zusammengeschlossenen Fürstenopposition in der Schlacht von Mühlberg (1547) für die Ernestiner nicht nur den Verlust von Kurwürde und Territorialbesitz, sondern markiert auch das Ende der "Bibliotheca Electoralis" in Wittenberg. Gemäß Wittenberger Kapitulation behielten Johann Friedrich und seine Erben ihre thüringischen Gebiete sowie bewegliche Güter, wozu auch die Bibliothek einschließlich ihrer Handschriften und Inkunabeln zählte.
In Kisten und Fässern gelangte die Bibliothek zunächst am 27. Juni 1547 nach Weimar, wo die Söhne Johann Friedrichs residierten. Die Behältnisse wurden unausgepackt bis auf weiteres ins dortige Franziskanerkloster gestellt. Nach langwierigen brieflichen Verhandlungen zwischen Johann Friedrich und seinen Söhnen und Räten wurde die Bibliothek am 22. August 1549 in das Dominikanerkloster St. Pauli nach Jena transportiert. Der Umfang der nach Jena gelangten Drucke und Handschriften beläuft sich auf ca. 1.500 Bände.
1512 gibt Friedrich der Weise brieflich Auskunft über seine Beweggründe und schreibt, dass er die Einrichtung einer Bibliothek in seiner Wittenberger Residenz plane, und zwar zum allgemeinen Nutzen aller, der Lehrer wie der Schüler der Wittenberger Universität; denn mit Gottes Hilfe habe er eine Hochschule einrichten lassen und wolle nun die Studierenden auch durch die Anschaffung von Büchern fördern. Adressat dieses Briefes war der berühmte Verleger Aldus Manutius (1450-1515), aus dessen venezianischer Offizin der Kurfürst zahlreiche Texte klassischer - vor allem griechischer - Autoren bezog.
Neben persönlichen Kontakten bediente sich der Kurfürst seiner Agenten, um den italienischen Buchmarkt beobachten zu lassen und den Ausbau seiner Sammlung auf hohem Niveau und vor allem gezielt voranzutreiben. Lieferungen erhielten der Kurfürst und auch seine Nachfolger aus den führenden Offizinen aus dem Süden und Südwesten des Reichs, aber auch aus Italien, besonders aus Venedig, sowie aus Lyon und Paris. Mit dem Fortschreiten der Reformation gelangte zudem Säkularisationsgut aufgehobener sächsisch-thüringischer Klöster in die Wittenberger Bibliothek, darunter auch zahlreiche mittelalterliche Handschriften, die heute zu den wertvollsten Stücken der ThULB zählen. Durch die Neuaufstellung der Bibliothek an einem "bequemen ort in unsern schlos zu Wittenberg als in der großen Hofstube" (Schreiben Johann Friedrichs) entsteht eine frühe Form der "Studienbibliothek" : Die Bücher werden an Pulte gekettet und in Katalogen erschlossen, um das Wissen für einen erweiterten Kreis von Nutzern zugänglich zu machen, aber auch um die wertvollen Bestände vor Entfremdung zu schützen. Auch wenn die Bibliothek noch lange nicht zu dem wurde, was man mit der Gebrauchsbibliothek seit der Aufklärung assoziiert, so hatte sie sich bereits in Wittenberg doch ganz deutlich in Richtung einer Arbeitsbibliothek für Professoren und Studierende entwickelt.
Im Bestand enthalten sind die griechischen und lateinischen Schriftsteller des klassischen Altertums und solche der ersten nachchristlichen Jahrhunderte, also Philosophen, Reden- und Geschichtsschreiber sowie Dichter und Schöpfer moralisch-erzieherischen Schrifttums. Hinzu kommen die Schriften der Kirchenväter, mittelalterliche Theologen und Autoren historischer Werke, ferner Grammatiken, Wörterbücher, medizinische, astronomische, ökonomische und juristische Schriften.
Hochkarätig ergänzt wurde die Sammlung durch Geschenke, Widmungsexemplare und Handschriften. Dem persönlichen Umfeld des Kurfürsten zuzuordnen sind ein Evangelistar (Signatur: ThULB, Ms. El. f. 1), ein Epistolar (Signatur: ThULB, Ms. El. f. 2) sowie Chorbücher der Alamire-Werkstatt mit buchmalerischen Ausgestaltungen in höchster Qualität. Während letztere dem Gründungsbestand der "Bibliotheca electoralis" selbst angehören, ist ein großer Teil der mittelalterlichen Handschriften klösterlicher Provenienz und kam als Säkularisationsgut hinzu. 1538 kamen als Geschenk Heinrichs III. von Nassau an Johann Friedrich I. zwölf französischsprachige Pergamenthandschriften des 14./15. Jahrhunderts sowie zwei illuminierte, jeweils zweibändige Pergament-Inkunabeln in die Bibliothek. Ein kulturelles Monument eigener Klasse ist die ebenfalls zur "Bibliotheca Electoralis" zählende Jenaer Liederhandschrift (Signatur: ThULB, Ms. El. f. 101), die neben der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Manesse-Codex) bedeutendste, größte und prachtvollste Handschrift mit deutscher Liedüberlieferung des Mittelalters, ohne die uns zahlreiche Autoren und Texte des Hochmittelalters unbekannt geblieben wären.
Die moderne Rezeptions- und Erschließungsgeschichte der "Bibliotheca Electoralis" beginnt an der Wende zum 18. Jahrhundert. Einen Einschnitt für die "Bibliotheca Electoralis" bedeuteten die Maßnahmen zur Umorganisation der Jenaer Bibliothek, die unter Johann Wolfgang von Goethes Leitung in den Jahren zwischen 1817 und 1824 erfolgte. Verbunden waren hiermit die Neuaufstellung des damaligen Gesamtbestandes an Druckwerken sowie die Anlage neuer Kataloge, welche die älteren Fakultätskataloge ablösten.
Diese Entwicklung geht einher mit der Einführung der modernen Gebrauchsbibliothek und mit der Etablierung einer systematischen Wissensaufbereitung entsprechend der einzelnen Fachdisziplinen. Goethes Plan sah vor, die verstreuten Teilbestände und weitere bis dahin externe Bestände in einem einheitlichen aus Sachgruppen bestehenden Signaturensystem zusammenzuführen, worin auch der Bestand an Druckwerken der "Bibliotheca Electoralis" aufging. Die systematische Aufstellung blieb im Fall des Jenaer Bestandes an Alten Drucken bis ins 20. Jahrhundert hinein in Anwendung, die alten Signaturen blieben es auch darüber hinaus.
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Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Auslegung der Museorum oder Raritäten-Kammern. Auf Verlangen mit einigen Zusätzen und dreifachem Anhang vermehrt von D. Johann Kanold, Leipzig und Breslau 1727 [Inventar einzelner Jenaer Handschriften, ohne Signaturen].
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Basilius Christian Wiedeburg
Ausführliche Nachricht von einigen alten teutschen poetischen Manuscripten aus dem dreyzehenden und vierzehenden Jahrhunderte, welche in der Jenaischen akademischen Bibliothek aufbehalten werden, Jena 1754 [enthält Beschreibungen ausgewählter Handschriften u.a. der Jenaer Liederhandschrift].
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Bernhard Willkomm
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